Die schwarze Kuschelmaus ist total kaputt vom gestrigen Rennen am Strand und dem ausgiebigen schwimmen. Muskeltiger! Schläfrig schaut sie uns mit einem Blick an, der so viel aussagt wie, holt mir doch auch so ein „Schiebeding“, mit dem sich dieser kleine „Zweibeiner“ vor uns umher fahren lässt (sie zeigt mit ihrer Schnauze auf einen Kinderwagen..). Aber nicht mit uns! Das sie in ihrem mittlerweile stark fortgeschrittenen Alter noch in die Trotzphase kommt, ist kaum auszuhalten.. Doch es hilft alles nichts. Die kleine schwarze Zicke macht was sie will. (Ja… das macht sie sonst eigentlich auch) Jetzt werden wir deshalb zum Faulenzen und Entspannen gezwungen. Was für ein Drama 😉 Das sie uns das mal vergönnt.. Sunny verpennt den ganzen Tag.
Ganz still und heimlich schleicht sich das wohlbekannte Hungergefühl zu uns. Schließlich ist es auch gleich 18 Uhr. Doch bevor wir uns die Bäuche voll schlagen dürfen, flanieren wir erstmal ein bisschen am Strand entlang. Sunny erledigt in aller Ruhe ihre Geschäfte – doch als sie das Meer riecht ist sie mal wieder total aus dem Häuschen. Wir schieben sie vom Wasser weg, denn sie würde trotz ihrer Schmerzen sofort wieder hineinspringen. Der alte Schauspieler. Den ganzen Tag schnarchen und uns mitleidig klarmachen wollen, wie gebrechlich der arme alte Hund ist und dann beim leisesten Rauschen des Meeres herumtoben wie eine junge Göttin. (Wenn sie das mal zu Ohren bekommen sollte, was ich hier so über sie schreibe, dann gut‘ Nacht..)
Bald darauf erreichen wir den kleinen Weg zum Strandrestaurant, der uns behütet von den empor ragenden Sandsteinfelsen die Richtung weißt. Wir entdecken ein schnuckliges Holzhäuschen mit einer nicht zu verachtenden Auswahl an Eissorten, die rechts an der Wand auf eine Tafel geschrieben ist. Es führt kein Weg vorbei. Wir müssen sofort ein Eis essen. Es gibt das beste Schokoeis aller Zeiten! (ich träume heute noch davon) Der Knaller! Es ist sooo lecker. (Mir läuft sogar während des Schreibens noch das Wasser im Mund zusammen).
In The Anchor Inn, dem heutigen Restaurant unserer Wahl, bestellen wir eine Flasche eisgekühlten, leckeren, kalifornischen Rosé und leider wirklich schlechte fish’n’chips (nein, hatte ich echt schon lange nicht mehr, wirklich!). Ich bin so enttäuscht! Es ist jammerschade. Das ist vermutlich das schlimmste Erlebnis der ganzen sechswöchigen Reise. Doch mit dem Wein kombiniert, hält sich das Drama am Ende doch noch in Grenzen. Brrooohsdt!
Mit fortschreitendem Abend habe ich ein dringendes Bedürfnis, den gegenüberliegenden Berg (die Klippen) hoch zu laufen. Er sieht so heimelig aus und leuchtet in der angehenden Dämmerung. Mit einem kleinen Schwindel im Kopf laufe ich los.
Das weite Panorama, dass sich mir kurz darauf von oben zeigt, ist der Wahnsinn. Die langsam untergehende Sonne, deren Strahlen sich funkelnd und glitzernd im Meer spiegeln und mit einem letzten wunderbaren aufblitzen vom heutigen Tag verabschieden. Die Hügel, die in verschiedenste Grautöne getaucht werden, super wunderschön. Ich setzte mich auf das kühle Gras und lasse meine Beine über den erdigen Vorsprung baumeln. Ich lehne mich zurück, den Kopf auf die Wiese und sauge den einzigartigen Moment in vollen Zügen in mir auf. Es hat sich wirklich gelohnt, selbst mit stechender und brennender Lunge nach oben zu rennen. Da fühlt man das Leben 🙂
Am nächsten Tag.
Es fühlt sich gut an. Ich habe richtig gute Laune und bin energiegeladen. Über Wiesen und Weiden kämpfen ich mich mit Sunny die Hügel hinauf. Sattes grünes Gras unter unseren Füßen und Pfoten. Als wir eine Schafherde durchqueren (was oft passiert) werden wir mit einem „määäh“ von allen Seiten begrüßt. Herrlich. Ich bin so glücklich. Ja, auch noch als ich durch die braune leicht flüssige Kacke der süßen weißen Schäfchen stapfe. Ich koste jeden Augenblick aus. Meilenweit schauen wir über wunderschöne Klippen und dem darunter liegenden wellenschlagenden blauen Meer. Kleine weiße und dunkle Fellknäulchen liegen wie weiche Wölkchen auf der Wiese. Ich liebe es. Wir erreichen nach dem Abstieg das Meer und ich lasse Sunny zur Abkühlung hinein springen. Es ist sehr heiß heute. Danach wandern wir den Pfad weiter und ich setze mich auf eine Bank. Sunny legt sich ganz lieb darunter.
Als wir nach einiger Zeit in West Bay ankommen, ziehe ich meine Schuhe aus und strecke mich genüsslich auf einer freien Bank aus. Ich bin glücklich. Habe ich das schon mal erwähnt? Ich möchte keine einzige Sekunde missen. Ich sitze in der angenehm warmen Sonne und lasse meine Gedanken freien Lauf.
Die letzten Wochen habe ich wirklich viel erfahren und gelernt. Über mich, allgemein und auch für’s Leben. Ich fühle mich unendlich wohl in dieser großen Welt. Frei und unbeschwert. Ich fühle mich geborgen, wie sonst kaum in meinem Leben. (Damit meine ich nicht die Geborgenheit in der Kindheit, sondern das endlich „Ankommen“, das Gefühl seinen „Platz“ gefunden zu haben) Ich bin so dankbar für diese Erfahrungen.
Ich habe keine Angst oder keinen bitteren und mulmigen Beigeschmack, wenn ich an „morgen“, meine Zukunft denke. Was zählt ist die Gegenwart. Alles hat plötzlich einen tieferen Sinn. Ich habe ihn endlich gefunden. Wenn es das Reisen ist, dann ist es eben das Reisen. Dieses Insel-Abenteuer hat mich vieles in meiner Einstellung zum Leben gelehrt. Denn, ist ein Leben nicht irgendwie verschwendet, wenn man 40 Jahre Tag für Tag unzufrieden und mies gelaunt zur Arbeit fährt? Und um dann kurz vor der Rente vom Zeitlichen gesegnet zu werden..? War das der Wunsch meiner Eltern als sie sich vor vielen Jahren für mich entschieden haben? Ich denke nicht. Ich glaube, ihr größter Wunsch war und ist es, mich glücklich zu sehen. Das ist wahrscheinlich der Wunsch aller Eltern im Bezug auf ihre Kinder. Und der Wunsch der Kinder für ihre Eltern natürlich auch.
Es ist wirklich schön zu sehen, wie auch Sunny sich in dieser Zeit verändert hat. Ich bin stolz auf sie. Die letzten Tage haben ihr echt gut getan. Im Moment möchte ich sie nicht mehr an eine Laterne binden und abhauen (wobei sich das auch mal schnell ändern kann..) 🙂 Der überängstlichste Hund ist Schnee von gestern.
Es ist egal, wo ich bin. Es ist wichtig, ob es sich richtig und gut anfühlt. Richtig und gut für mich. Die Welt ist mein neues Zuhause und ich fühle mich pudelwohl dort. Dort, wo wir gerade sind. Was soll schon passieren? Wo sollen wir verloren gehen? Schließlich ist die Erde ja keine Scheibe mehr, an der man herunterfallen könnte. Oder doch? 🙂
Sehnsüchtig blicke ich auf die Fish’n’chips-Bude am Hafen. Die Speichelproduktion in meinem Mund nimmt Überhand. Es grenzt an einem Wunder, dass mir nicht der Sabber aus den Mundwinkeln und am Kinn herunter läuft. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Ich drehe mich schon extra weg von den bunten Häuschen weg, doch meine Augen sind von diesem Anblick wie gefesselt. Hilflos ergebe ich mich dem unbändigen Drang nach frischem knusprigen Cod (Kabeljau). ja, ich kann es wohl nicht mehr ewig verheimlichen. Der ein oder andere wird meine Sucht bestimmt schon bemerkt haben.. Wobei, so auffällig war mein Verhalten in der Vergangenheit doch eigentlich garnicht….
So, noch mit Essig und Zitrone beträufeln und kurz darauf schmatzend in der Sonne genüsslich den Fisch auf der Zunge zergehen lassen. Egal wie voll geschmiert man aussieht (und das kann ich gut 🙂 ) Einfach genießen. Es ist so herrlich gut.
Wie aus dem Nichts platscht ein riesiger weißer, flüssiger Schiss neben mich. Wie in Zeitlupe schaue ich in den Himmel. Dann herunter auf mein heilige Essen zwischen den Händen, wieder nach oben und nochmal zurück. Puuh, Glück gehabt! Das war die geballte Ladung einer frechen, sehr garstigen Möwe. Ein Stückchen weiter rechts und ich wäre wahrscheinlich heulend und kreischend, wie ein kleines zorniges Kind aus dessen Eiswaffel eine große Kugel Eis herausgefallen war, auf der Stelle herumgetrampelt. Das ist die Rache der Seagulls. Dafür, dass wir immer alles alleine aufessen. Nicht den kleinsten Brocken bekommen diese bösen Tiere! 😉 Falls doch mal etwas unbemerkt vom Papier rutscht, haben wir immer unseren vierbeinigen Staubsauger zur Hand, der grünlicher ist als jeder alte Putzteufel. Jetzt noch kurz ein Eis holen. Und dann ab nach „Hause“.
Ich verliebe mich jedesmal auf’s Neue in diese wundervolle, zauberhafte Landschaft. Ich spaziere oberhalb der Cliffs. Kaum sehe ich das blau-türkise Meer und die gigantischen Felsmauern, schon setzt mein Verstand aus. Das wunderbare tiefe Gefühl des ‚Heimkommens‘ breitet sich in mir aus. Hätte ich mich nicht immer so im Griff, stünde ich jetzt wahrscheinlich mit Tränen überströmten Wangen am oberen Ende der Klippen und könnte mein Glück kaum fassen. Ich vergesse den Rest der Welt (wie so oft auf dieser Reise). Ich liebe es einfach. Ein traumhaftes Leben, dass wir gerade führen.
Ich füttere General-Waste (nicht Englisch sondern deutsch ausgesprochen – die Mülleimer sind damit beschriftet, deshalb hat der Herr General auch diesen Namen von uns bekommen) mit einer Tüte von Sunnys täglichem „Business“ (Geschäft? Business?) und verbeuge mich nochmal kurz vor ihm. Respekt muss sein. Machs gut, Herr Gerneral.